Dr. Joachim Gulich LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
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Vergaberecht
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Bau- und Architektenrecht
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Steuerrecht
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Ein öffentlicher Auftraggeber suchte ohne förmliches Vergabeverfahren nach einer Büroimmobilie. Er hatte seine Anforderungen und Wünsche detailliert in einem Katalog inklusive Raumprogramm aufgelistet. Dieses umfasste beispielsweise Vorgaben zur Erschließung und Einfriedung des Gebäudes, zum Vordach vor den Gebäudeeingängen, zum Bodenbelag, Anforderungen zu speziellen Räumen und/oder Funktionen wie Lagerraum/Archiv, Teeküchen, Putzmittelraum, Serverraum bis hin zum Zutrittskontrollsystem. Auf dieser Basis schloss der Auftraggeber mit einem Investor einen Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude. Die Laufzeit betrug zehn Jahre mit Verlängerungsoptionen um bis zu drei Jahre. Der bisherige Vermieter versuchte, den Vertragsschluss zwischen öffentlichem Auftraggeber und Vermieter als unzulässige de-facto-Vergabe eines Bauauftrags vor der Vergabekammer anzugreifen.
Im Regelfall unterliegt der Abschluss eines Mietvertrages nicht dem Vergaberecht. Die VK Bund stellt detailliert das Spannungsverhältnis zwischen vergabepflichtigem „Bestellbau“ (getarnter Bauauftrag) und „noch zu errichtendem Gebäude zur Anmietung“ dar (VK Bund, Beschl. v. 17.12.2019 – VK 2-88/19). In Gewerberaummietverträgen übliche Regelungen zu Ausstattung und Innenausbau lösen nach dieser Entscheidung noch keine Ausschreibungspflicht aus.
Deshalb kann ein öffentlicher Auftraggeber ohne förmliche Ausschreibung einen Mietvertrag über eine noch zu errichtende Immobilie schließen, sofern
Spiegelbildlich: Handelt es sich bei dem Gebäude um eine auf den öffentlichen Auftraggeber zugeschnittene Spezial-Immobilie, lässt er sich umfassende Mitspracherechte bei der architektonischen Gestaltung des Gebäudes einräumen, oder bezahlt er über die Vertragslaufzeit das Objekt, handelt es sich um einen (verdeckten) Bauauftrag im Sinne des § 103 Abs. 3 S. 2 GWB.